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Der märkische Charakter

Von Direktor Dr. Liebau zur Hagener Bevölkerung aus dem Buch der Stadt Hagen von 1928

 

 

Der Hagener Arbeiter wandert wenig.

So hat Bodenständigkeit zusammen mit Talenge und erdgeborener Schwerbeweglichkeit den Hagener Einwohnern eine blutgebundene Eigenart erhalten, die die Menschen dieser Stadt aus dem Brei, der die Städte im allgemeinen füllt, hervorhebt, so daß man von ihnen mit Recht sagen kann, sie hätten einen eigenen Charakter und ein eigenes seelisches Gesicht.

Es sind viel trotzige Einzelmenschen dabei, starke Individualisten, die wenig Neigung zeigen, sich einheitlichen Willen unterzuordnen.

So wollen auch die Hagener in der Regel miteinander nicht gern allzuviel zu tun haben.

Bei ausgeprägtem Familiensinn zäunt sich jeder gern ein.

Zu tätigem Gemeinsinn zeigen sie um so weniger Neigung, weil sie nicht gern etwas abgeben.

So sind sie auch mißtrauisch gegen Fremde und Fremdes.

Der Neuling , der unter ihnen seßhaft werden will, muß sich Zeit nehmen, erst einen Scheffel Salz mit ihnen zu essen, bevor das Mißtrauen überwunden ist und er sich an einem Tisch mit ihnen setzen kann.

Ihre "bunte Art" liegt nicht jedem, und sie überlegen vor Wort und Tat nicht erst lange, ob sie damit Sympathie oder Abneigung gewinnen. 
Schönrederei liegt ihnen nicht.

Dafür sind sie auch zu nüchtern und zu sehr Tat- und Wirklichkeitsmenschen.

Als nüchterne Kritiker stehen sie Neuem mißtrauisch gegenüber.

Haben sie aber einmal das Mißtrauen überwunden und sich vom Besseren überzeugt, dann ist der Wille, das Ziel zu erreichen, hart, dann wird der Weg gegangen zähe und stur.

Der Hagener ist selbstbewusst, und wer ihn imponieren will, muß früh aufstehen. 

Er ist in der Regel auch genau und sparsam.

Der Verschwender ist ein seltenes Exemplar im Lande.

Wohlbehäbigkeit liebt man, aber ohne Luxus.

Treue, Redlichkeit und Gradheit gelten im Verkehr untereinander sehr viel. 

Dem Unglück gegenüber zeigt sich unter rauher Schale ein weiches Gemüt.

Echtes Gefühl schätzt der Hagener , doch sentimental zu werden, hütet er sich.

Gut erhaltene Trinkfestigkeit zeugt von einem tüchtigen Teil Urkraft in diesem Blute.

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